Montag, 23. Mai 2005
Ein schwarzer Tag für Deutschland
Gestern wurde amtlich was eigentlich schon jeder längst wusste. Rot-Grün ist definitiv am Ende. Statt Beschönigungsreden und Durchhalteparolen die bittere Erkenntnis, dass mit der Regierung in NRW wohl auch zugleich die Bundesregierung am Abgrund steht.
Das Angebot zu Neuwahlen kam keineswegs überraschend, sondern war von langen Hand geplant. Es war für Schröder und Co. eine der wenigen Alternativen aus dieser politischen Notlage Kapital zu schlagen. Möglicherweise in der Hoffnung das Ruder im Herbst noch herumzureißen und möglicherweise, um die Union in Bedrängnis zu bringen.
Die Einigung über die Kanzlerkandidatur in den Reihen der CDU/CSU erscheint nur noch als formeller Akt. Aber wer sollen die Mitstreiter von Frau Merkel sein. Kein Merz. Kein Seehofer. Kein Schäuble. Ede in Bayern. Wulff ein verkappter Kanzlerkandidat, der nun keiner mehr sein wird (schade und Glück für Frau Merkel). Wo ist eine schlagkräftige Regierungsmannschaft. Wo sind die Konzepte die Deutschland aus der Krise helfen sollen. Die Union hat sich in letzter Zeit derart darauf versteift jedes gute Reformkonzept nur zu zerstören, dass sie darüber vergessen hat, eigenständige Pläne zu entwerfen. Und wenn der Bürger erstmal begriffen hat was ihn mit Pro-Kopf-Versicherung und Ähnlichem erwartet, so wird er sich noch wünschen nicht all zu schnell den Abgesang von Rot-Grün herbeigesehnt zu haben.

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Ja, einige werden sich umgucken. Zuallererst die, die meinen, es sei völlig egal, wer regiert.

(ot: Einschreiben ist heute Vormittag raus)

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Tatsächlich guck ich mich
schon seit ein paar Jahrzehnten um. Und zwar recht aufmerksam. Aus diesem Grund komme ich auch immer mehr zu der Auffassung, dass die Frage schwarzgelb oder rotgrün gemeinhin ziemlich überschätzt wird.

Völlig egal isses mir natürlich nicht in dem Sinne, dass ich eine Regierung mit Beteiligung von NPD/Reps/MLlern/PDS tolerieren würde.

Aber sonst?

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ich geb ihnen insoweit recht, dass sich schwarzgelb und rotgrün mit ihrer politik der mitte stark angenähert haben. das war in den letzten legislaturperioden aber auch nötig um überhaupt regieren, sprich gesetze auf den weg bringen zu können. schuld ist die verteilung der gesetzgebungskompetenzen Bund/Bundesländer (zustimmungspflichtikeit uswusf). mit unterschiedlichen mehrheiten im verhältnis bundesrat/bundestag können nunmal keine umfassenden reformen auf den weg gebracht werden, ohne dass die andere seite aus taktischen gründen blockiert, wie das derzeit der fall ist aber auch zuletzt bei kohl schon war. die dringend notwendige föderalismusreform wurde leider vom hessenhitler blockiert. rotgrün musste sich bei vielen gesetzesinitativen in entscheidenden punkten dem willen der schwarzen beugen, um überhaupt etwas bewegen zu können (das geschah dann spätestens im vermittlungsausschuss). eine politisch klare linie, die sich von der von schwarzgelb (soweit vorhanden) klar abgrenzen lässt war so kaum möglich. das heißt aber nicht, dass es von vornherein egal ist, wer regiert. sollte ab herbst sowohl auf landes-, als auch auf bundesebene eine schwarzgelbe mehrheit bestehen, werden politische unterschiede wieder weitaus deutlicher hervortreten als derzeit. es muss sich also jeder überlegen, was er will.

die spd scheint aber schon auf große koalition zu spekulieren - in dem fall würde es wohl wieder zäh, vlleicht aber doch besser als wenn es rotgrün tatsächlich nochmal reißen würde und die cdu-blockaden im bundesrat weitergingen.

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Tja, irgendwas
werden sich die Alliierten schon dabei gedacht haben, als sie den Föderalismus hier zur Systemgrundlage gemacht haben.

Ihre Analyse würde ich in weiten Teilen so unterschreiben, ich ziehe nur ein paar andere Schlussfolgerungen.

Das window of opportunity, nach einem Regierungswechsel auf Bundesebene eine komplett andere Politik als die der Vorgängerregierung durchzusetzen, ist denkbar schmal. Da kommen ja ständig wieder Landtagswahlen, bei denen es dann traditionell wieder so kommen wird, dass das Bundesoppositionslager in den Ländern allmählich wieder Oberwasser bekommt. Und im Gegensatz zu den 60ern, 70ern und 80ern engt die EU den nationalen Politik-Spielraum auch immer mehr ein. Wollte ein Willy Brandt unter heutigen Voraussetzungen mehr Demokratie wagen, bekäme er wohl aus Brüssel eins auf die Nuss.

Dass sich jeder überlegen muss, was er will, steht völlig außer Frage. Die Frage ist für mich persönlich, ob ich in der derzeitigen Parteienlandschaft eine Chance sehe, dass irgenjemand auch nur einen Bruchteil dessen liefern könnte, was mir politisch so vorschwebt.

Und das sage ich nicht als Radikaler von irgendeinem Rand des Spektrums, sondern aus der Mitte heraus.

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Schlecht Zeiten
Ich möchte an dieser Stelle noch erwähnen, dass die Probleme, die Deutschland zur Zeit prägen nicht solche sind, die primär auf irgendwelches Politikerhandeln zurückzuführen sind. Vielmehr sind es oftmals auch die Umstände gewesen, die ein bestimmtes Handeln den Verantwortlichen abgenötigt haben. Es gibt eine Masse von derzeit ungünstigen Komponenten (Globalisierung, EU-Osterweiterung, der vor Jahren in Gang gesetzte falsche Rentensystem...). All das kumuliert jetzt miteinander und die Regierungsverantwortlichen tragen nunmehr die Verantwortung trotz dieser widrigen Umstände nicht die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen, sondern die Handlungen zu unternehmen, die entweder noch sinnvoll sind bzw., die geeignet sind aus der Spirale hinauszuführen. Wir wissen alle, dass momentan kein Spielraum ist, um parteipolitische Interessen in der Politik durchzusetzen. Diese Erkenntnis teilen alle Parteien miteinander. Das dennoch eine beständige parteipolitische Auseinandersetzung stattfindet, die im Ergebnis gute Reformansätze blockiert oder gar zu nichte macht kann als störend empfunden werden, aber gleichzeitig ist das, das Opium fürs Volk, dass dieses so dringend braucht, um überhaupt politikinteressiert gehalten zu werden und um sich nicht endgültig in Resignation und Verdrossenheit sich von der Politik abzuwenden.
Der Akt des Wählens erscheint momentan möglicherweise tatsächlich als Formalismus, weil in Grundzügen wohl feststeht was zu tun ist und es auch deshalb nicht darauf ankommt wer es letztlich verwirklicht. Aber der Möglichkeit wählen zu dürfen ist ein Geschenk an uns. Es gibt zu viele Menschen, die wegen dieses Rechts Kriege führen. Ich meine, dass eine politische Schlechtwetterlage, die jedenfalls vorübergehen wird uns nicht davon abhalten sollte von unserem Wahlrecht Gebrauch zu machen und wenn es nur darum geht, das Recht selbst nicht verkommen zu lassen.
Von daher rate ich davon ab, auf die momentane Situation mit Wahlboykott zu reagieren. Vielmehr rate ich, sich die Programme der Parteien zu verinnerlichen und zu fragen nach welchem Programm Deutschland in 10 Jahren gestaltet sein soll. Also ich persönlich bin der Ansicht, dass das Parteiprogramm der SPD immer nch lesenswert und umsetzungwürdig ist. Wer darüber anders denkt soll sein Kreuzchen wo anders setzen, aber besser als Nichtwählen ist es allemal.

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